Von Scherben und Schätzen: Archäologischer Spaziergang in Angerstein

Fachgruppe Archäologie

Am 01. April 2017 fand bei strahlendem Sonnenschein der archäologische Spaziergang in Angerstein statt. Im Fokus stand das Gebiet um den sogenannten Grebenberg am Ortseingang im Süden des Dorfes. Der Name Grebenberg leitet sich dabei von der Tätigkeit graben her, so wurde hier bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Stein gebrochen. Geführt wurden die elf Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Eberhard Christ aus Angerstein, der uns die Ergebnisse seiner langjährigen Prospektionen vorstellte.
Doch was ist eigentlich Prospektion in der Archäologie? Prospektion (von lat. prospecto: Ausschau halten) bedeutet, dass man zunächst in der Kulturlandschaft nach den materiellen Spuren vergangener Kulturen sucht, um dann archäologische Fundstellen identifizieren zu können. Sie bildet damit geradezu die Basis aller archäologischen Feldforschung – eine der häufigsten Fragen, die auf Grabungen gestellt werden, ist, warum die Grabung ausgerechnet an dieser Stelle stattfindet. Die Antwort ist entweder, dass hier zufällig eine unbekannte Fundstelle durch Bauarbeiten gestört wurde, oder dass hier die Prospektionsergebnisse den größten Erfolg versprachen. Moderne Prospektionsmethoden umfassen dabei Geomagnetik, Geoelektrik und Luftbildarchäologie. Die klassische und verlässlichste Methode ist aber nach wie vor die optische Prospektion, also das ‚manuelle‘ Absuchen eines Flurstückes. Hilfe leistet dabei oft unfreiwillig die Landwirtschaft – durch Pflugaktivitäten werden nämlich alte Kulturschichten angerissen und die dort enthaltenen Funde an die Oberfläche gezogen, wo sie dann vom sachkundigen Auge erkannt und geborgen werden können.

Teilnehmergruppe

Herr Christ, der seit über 20 Jahren in Angerstein tätig ist, nahm uns also mit auf einen Rundgang durch das von ihm intensiv begangene Gebiet am Grebenberg. Ausgangspunkt war der Parkplatz im neuen Industriegebiet südlich von Angerstein. Hier wurden wir zunächst mit der Geologie und Geographie des Geländes vertraut gemacht. Besonderes Augenmerk wurde auf die alten Verkehrsrouten, die alte Hannoversche Chaussee und den wohl noch älteren Helleweg gelegt. Es ging dann auf die Spitze des Grebenbergs – ein Aufstieg, der durch das warme Wetter etwas beschwerlich wurde, aber durch den Ausblick über das Leinetal mehr als wett gemacht wurde. Der archäologische Teil begann dann auf dem Weg zurück an der Hangflanke des Grebenbergs. Hier zeigte Christ verschiedene Bilder von Funden, die er auf diesen Arealen gemacht hatte und erläuterte, warum dieser Bereich so gern besiedelt wurde: Seine Fundstücke stammten nämlich aus einer gleich mehrere tausend Jahre umfassenden Zeitspanne. Schon zur Zeit des Mesolithikums (vor ca. 10.000 Jahren) siedelten Menschen am Grebenberg, doch besonders aus der jüngeren Eisenzeit und der älteren römischen Kaiserzeit (vor ca. 2200 bis 1800 Jahren) liegen viele Funde vor. Hier berichtete Christ auch von verziegelten Lehmbrocken, die auf Hauswände hindeuten, und Spuren von Eisen- und Bronzeverarbeitung. Dies gibt auch Hinweise auf den Grund für die Platzwahl: Rohstoffe. So konnte hier unter anderem Roteisenstein gewonnen werden. Auch verweist der Name des das Gelände teilenden Bachlaufes, Söße, auf Salz, das aus dem östlich anstehenden Zechstein ausgewaschen wurde und ebenfalls genutzt worden sein könnte, so Christ. Damit muss der Ort eine gewisse überregionale Rolle gespielt haben. Dies wurde dann auch deutlich, als Christ seine Kleinfunde präsentierte. Bronzene Gürtelkomponenten und Glasperlen verweisen auf frühe Kontakte nach Süden in die keltische Welt. In dieselbe Richtung deutet auch eine echte Rarität: eine keltische Münze aus Potin. Aus römischer Zeit liegen ebenfalls Hinweise auf Fernkontakte vor, besonders herausragend ist ein Denar aus der kurzen Regierungszeit des römischen Kaisers Otho (†69 n. Chr.).
Nach dieser Reise durch Zeit und Flur kehrten wir zum Abschluss im Angersteiner Gasthaus „Zum Lindenkrug“ ein, wo bei einem kühlen Getränk und hervorragendem Essen diskutiert und gefragt werden konnte. Auch die Originalfunde wurden hier gezeigt, sodass jeder die Keramikscherben, Bronzeanhänger und Glasperlen selbst in Augenschein nehmen konnte. Insgesamt gilt unser Dank nochmals Herrn Christ, der diese interessante Exkursion ermöglicht hat!
Hat dieser Bericht Ihr Interesse geweckt? Die Fachgruppe Archäologie plant für den Sommer mehrere weitere Exkursionen zu aktuellen archäologischen Grabungen in der Region. Termine finden sich zu gegebener Zeit auf der Website der ASH oder können beim Fachgruppensprecher erfragt werden.

Tobias Uhlig
Teilnehmergruppe
Teilnehmergruppe