Zu Besuch im „Stadtdorf“ Uehrde bei Osterode am Harz
Am 18. April trafen sich Teilnehmer aus Osterode, Uehrde, Katlenburg und Northeim im Herzen des Dorfes, um sowohl das Dorf selber, die Kapelle und auch das "Museumshäuschen" der dortigen Familie Kreckmann zu besuchen. Zunächst wurde freundlicherweise die Kapelle für uns aufgeschlossen. Diese datiert teilweise zurück ins 13. Jahrhundert, wobei im 15. Jahrhundert Umbau bzw. Erweiterung folgten. Dieses Kirchlein aus ortsnah vorkommendem Gips und Dolomit war einst eine Wehrkirche, wo alle Schutz suchen konnten. Heute besitzt sie einen Altar aus Spät-Renaissance / Früh-Barock sowie eine Kanzel aus der Zeit um 1600. Diese stand wohl ursprünglich an anderer Stelle der Kapelle. Eine Besonderheit im Schalldeckel ist eine eher volkstümliche Darstellung Gottes, welches dem Bibelwort "du sollst dir kein Bild machen…" eigentlich zuwiderhandelt. Ansonsten kam die Kapelle vor etwa 200 Jahren in den Besitz eines der ältesten Orgelprospekte des Kreises, und zwar aus dem Dorf Eisdorf, seinerzeit gesponsert von vielen wohlhabenden Gönnern. In dieser Kapelle wird ab 1644 Schulunterricht erwähnt; ein eigenes Schulhaus entstand nach 1770. Die Kapelle gehört zur Osteroder St. Aegidiengemeinde und wird von deren Pastor betreut. Einmal im Monat ist Gottesdienst um 11 Uhr, und da derjenige in St. Aegidien bereits um 10 Uhr beginnt, finden sich auch etliche Osteroder lieber in Uehrde ein. Als die Kapelle vor Jahren geschlossen werden sollte, gründeten zahlreiche Privatleute aus Uehrde und Osterode eine Stiftung, um dies zu verhindern.
Das Dorf selber wird ersterwähnt 1105 in Verbindung mit den Katlenburger Grafen. Anschließend waren hier die Herren von „Uderde“ ansßssig, danach die von Mede(nhei)m. 1447 verkaufte Beate von Medem ihren hiesigen Besitz an den Rat von Osterode, und seitdem war es ein "Stadtdorf". Nach dem Verkauf wurde der Landbesitz auf sieben Meierhöfe verteilt. Die Meier waren zinspflichtig und leisteten Hand- und Spanndienste. Ein Schulze diente als eine Art Vermittler zwischen Bewohnern und Ratsherren, und das Schulzenhaus gleich hinter der Kirche ist noch vorhanden. Hier war auch der Ort der Gerichtsbarkeit, was noch ein ehemaliger Gefängnis-Kellerraum verdeutlicht. Einmal im Jahr hielten die Osteroder Ratsherren hier Versammlung, und zwar in der sog. Ratsstube, erkenntlich an den (nachgearbeiteten) butzenscheibenähnlichen Fenstern im linken Gebäudeteil. Der im 17. Jahrhundert hergestellte Hinterlader-Eisenofen für diese Ratsstube befindet sich heute im Osteroder Museum. Entsprechend der späteren Nutzung heißt der Bau heute auch Försterhaus. Weitere besondere Gebäude sind die Zehntscheune von 1754 sowie das Hirtenhaus gegenüber mit der noch historisch beschrifteten Ortseingangstafel, denn hier befindet man sich an der ursprünglichen Zuwegung. Nach der Verkopplung mit Verlegung von Bächen und Wegen 1886 verkaufte die Stadt Osterode ihren Grundbesitz an den letzten Pächter. Nach einem ersten Großbrand 1770 folgte ein weiterer 1913, und anschließend wurde das 200jährige Wulftener Pastorenhaus zerlegt, die Balken mit Pferd und Wagen hierher gebracht und aufgebaut. Ab jetzt diente es als Gutshaus. Auch eine Scheune, ursprünglich vom Herzberger Schloss stammend, steht heute in Uehrde.
Während 1949 die höchste Einwohnerzahl bei 229 Personen lag, sind es heute ca. 70. Mittlerweile ist es kein "Stadtdorf" mehr, nennt sich aber noch so und darf ein entsprechendes, selbst finanziertes Ortsschild benutzen (mit der alten Schreibweise "Ue"). Von den 26 Gebäuden stehen sieben unter Denkmalschutz. Das Gemeinschaftsleben ist recht ausgeprägt, und allen Bewohnern ist sehr an der Erhaltung ihres Dorfes gelegen. So wurde der moderne Straßenasphalt beseitigt und das historische Kopfsteinpflaster freigelegt. Der Friedhof wird von den Uehrdern in Eigenregie betrieben. Neben einigen Kühen und Pferden erwarten den Besucher zudem ein Bioland-Hofladen, ein Landgasthof, ein kleines Museum, ein Dorf-Café sowie ein Blick auf den Gips-/Dolomitabbau in der Nähe. Wer sich für einen Rundgang durch Uehrde interessiert, kann sich bei Frau Ingrid Kreckmann melden unter 05522/76515.Heike Grobis