„Marktkirche zum Heiligen Geist“ in Clausthal
Nachdem 2013 nach etwa 13 Jahren die Außensanierung der Kirche abgeschlossen worden war, besuchten am 26. September 2015 Teilnehmer der Fachgruppe „Baudenkmäler“ die Heilig-Geist-Marktkirche in Clausthal, und zwar unter der äußerst fachkundigen Führung von Herrn Bernd Gisevius.
Die Kirche birgt gleich mehrere Besonderheiten. Zum einen ist sie die größte Holzkirche Deutschlands, zum anderen zählt man Kanzel, Altar, Taufstein und Orgelprospekt zu den bedeutendsten Zeugnissen sakraler Schnitzkunst des 17./18. Jahrhunderts. Nach einem Großbrand 1634, mitten im 30-jährigen Krieg, musste auch die Kirche neu erbaut werden. Diese wurde zu Pfingsten 1642 geweiht, also am Fest des Heiligen Geistes. Und so zeigt diese Kirche bis heute durchgängig die dem Namen entsprechende Symbolik. Allein die Farbe Blau galt zur Zeit des ersten Anstrichs 1655 als Symbol „Göttlicher Weisheit“. Sie wurde erbaut aus Eichen- und Fichtenholz, war damals 45 m lang und 22 m breit und bot Platz für 1000 Besucher. Nachdem sie 50 Jahre später zu klein geworden war, verlängerte man sie nach Osten auf 57 m und baute eine zweite Empore ein. Dadurch gab es statt der zwei vorhandenen Treppentürme zu den Emporen jetzt fünf und die Zahl der Besucherplätze steigerte sich auf damals 2200. In den folgenden Jahrhunderten änderte sich der Außenanstrich in hellgrün, da aus Kostengründen eine preiswertere Farbe gewählt werden musste als das teure Blau, und später folgten die Farben Ockergelb und Grau. Seit 2013 zeigt sie wieder den leuchtend blauen Anstrich.
Innen besitzt die dreischiffige Halle ein hölzernes Tonnengewölbe. Zur Einweihung 1642 wurde der Altar aufgestellt, ebenso wie Kanzel und Taufstein mit Taube (Heiliger Geist) ein Werk von Andreas Gröber, einem der bedeutendsten Bildschnitzer des Frühbarock. Die Orgel, auch von 1642, stand ursprünglich auf der Westempore, der Altar gegenüber. Das mittlere Kirchenschiff blieb zunächst frei. Die Gemeinde saß nach Geschlechtern getrennt auf und unter den Emporen. Bei der Erweiterung der Kirche am Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Altar auf die gegenüberliegende Seite gebracht unter die neu erschaffene Ost-Empore. Der heutige Rokoko-Orgelprospekt datiert von 1758. Der Kronleuchter von 1660 stellt den brennenden Dornbusch dar, endend in einer Dornenkrone. Noch bis 1780 befanden sich im Mittelschiff Grabstätten hochgestellter Persönlichkeiten, dann hat man dort Bänke aufgestellt. Sowohl Dach, Glockenturm und Dachreiter als auch die Hauben der Treppentürme sind bleigedeckt. Zwei Dachreiter und der Glockenturm tragen Wetterfahnen mit der Symbolik von Gottvater, Sohn und Heiliger Geist. In den 1730er Jahren wurde der Dachstuhl erneuert. Aus Kostengründen hat man das Bleidach durch Schiefer ersetzt, denn durch den Bleiverkauf konnte man viele Rechnungen bezahlen. Erst 1981 erhielt die Kirche wieder ein Bleidach.
An der Westseite der Kirche befindet sich der 30 m hohe Glockenturm. Interessanterweise ist dieser Turm die eigentliche „Urzelle“ des Kirchenbaus, denn aus finanziellen Gründen (Armut im 30-jährigen Krieg) wurde zunächst einzig dieser Turm errichtet, weil dessen Glocke zugleich als Schichtglocke für die Bergleute diente. Leider erlitt er durch Baufehler zahlreiche Schäden, und durch die Glockenschwingungen war er instabil geworden. Aufgrund ähnlicher Fehler auch in späterer Zeit war er so einsturzgefährdet, dass beide Glocken seit 2006 stillgelegt waren. Daraufhin wurde der Turm ab- und neu aufgebaut.
Auch ansonsten gab es diverse Eingriffe. So kam es 1974 zur Einrichtung einer sog. Winterkirche für 120 Besucher (ansonsten 1200), 1975 wurde ein neues Orgelwerk in den originalen Orgelprospekt eingebaut. 2001 gab es schließlich so große Schäden, dass eine umfassende Sanierung erfolgen musste, die auf mehrere Jahre verteilt wurde. Seitdem wird auch der Platz vor der Kirche wieder frei gehalten, gemäß dem ursprünglichen Plan.
Insgesamt gesehen ist die ganze Kirche ein gebautes Symbol ihres Namens „Heiliger Geist“, und auch die Kulturgeschichte kommt nicht zu kurz. Angefangen bei einem eingeschnitzten „Damespiel“ auf der Kirchenbank der Chorknaben auf einer der Emporen bis hin zu einem neu gebauten Treppenhaus für die Barockmode mit Absatzschuhen und Reifröcken. Auch die Führung selber war sehr „speziell“. Zitat aus der Besuchergruppe als Dank an Herrn Gisevius: „Diese Art von Kirchenführung war bis dahin unbekannt.“
Heike Grobis